Experten fordern Detailänderungen u.a. bei
Patienteneinwilligung vor Produktuntersuchung und
Marktüberwachung für Internethandel
Fachverbände sehen die von der Bundesregierung geplante gesetzliche Anpassung an die europäische Verordnung für Medizinprodukte im Grundsatz positiv, fordern aber Nachbesserungen bei einigen wichtigen Detailregelungen. Die Experten äußerten sich anlässlich einer Anhörung des Gesundheitsausschusses am Montag, 22. März 2021, über den Gesetzentwurf zur Änderung des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes in schriftlichen Stellungnahmen. Gegenstand der öffentlichen Anhörung unter der Leitung des Vorsitzenden Erwin Rüddel (CDU/CSU) waren außerdem ein Antrag der FDP-Fraktion und ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Übertragung: Dienstag, 23. März, ab 12 Uhr zeitversetzt bei www.bundestag.de
Nach der Corona-bedingten Verschiebung des Geltungsbeginns der EU-Verordnung 2017 / 745 über Medizinprodukte (MDR) hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf vorgelegt, um Regelungen durch Änderungen im MPDG anzupassen, die infolge der Verschiebung der Europäischen Verordnung notwendig geworden sind.
Die geplanten Änderungen betreffen neben Übergangsvorschriften unter anderem
Meldepflichten des Prüfers oder Hauptprüfers an den Sponsor einer klinischen Prüfung,
Verfahrungsregelungen für die Risikobewertung von Medizinprodukten, die Eigentum des Patienten sind und
eine Regelung der zuständigen Marktüberwachungsbehörde für über das Internet angebotene Produkte.
Patienteneinwilligung vor Produktuntersuchung nach Vorkommnis
Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) erklärte, der Entwurf beinhalte im Wesentlichen die notwendigen Anpassungen des MPDG infolge der Verschiebung des Geltungsbeginns der EU-Verordnung. Nicht nachvollziehbar sei jedoch, weshalb entgegen der bisherigen Rechtslage ein Medizinprodukt nur dann analysiert werden dürfe, wenn der Patient zuvor sein Einverständnis erklärt habe. Die Regeländerung würde zu einem unvertretbaren Risiko für die Patientensicherheit führen, warnte der Verband. Eine Einverständniserklärung einzuholen würde zu einem immensen Zeitverlust zwischen einem Vorkommnis und einer Analyse führen mit fatalen Auswirkungen auf eine etwaige Risikobewertung. Der Verband forderte eine Streichung des entsprechenden Passus.
Eine Änderung dieser Neuregelung forderte auch die Vereinigung europäischer Hersteller für Kompressionstherapie (Eurocom). Die Untersuchung soll der Vorlage zufolge bei Produkten im Eigentum der Patienten erst nach vorheriger Aufklärung und Einwilligung möglich sein. Gleiches solle gelten, wenn zwar das Produkt nicht im Eigentum des Patienten stehe, aber eine Zerstörung des Produkts unvermeidbar sei. Auch wenn die geplante Regelung die Absicht verfolge, die Patienten bei der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen zu unterstützen, sei sie bedenklich. Zu erwarten seien Rechtsunsicherheiten und ein erheblicher Zusatzaufwand für Hersteller. Ohne Einwilligung würde die erforderliche Risikobewertung schlicht verhindert. Auch Eurocom forderte eine Streichung dieser Regelung.
Marktüberwachung von Internethandel
Auf die geplante Änderung der Marktüberwachung für den Internethandel von Medizinprodukten aus Drittstaaten ging der Bundesinnungsverband Orthopädie-Technik (BIV-OT) ein. Die Marktüberwachung soll der Landesbehörde zugeordnet werden, in deren Zuständigkeitsbereich das Medizinprodukt erworben wurde. Dies könne zu zahlreichen unterschiedlichen Bewertungen und Entscheidungen der Behörden führen und berge ein Potenzial für Rechtsunsicherheit. Der Verband schlug vor, die Zuständigkeit bundeseinheitlich zu regeln und etwa dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu übertragen. Dieser Vorschlag wird vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) unterstützt. Es sei sinnvoll, die Zuständigkeit bundeseinheitlich zu regeln und dem BfArM zu übertragen.
Probleme wegen Verschiebung von Eudamed
Der ZVEI gab überdies zu bedenken, dass mit Geltungsbeginn der MDR im Mai 2021 für die Hersteller Meldeverpflichtungen gegenüber der europäischen Datenbank Eudamed entstehen. Diese Datenbank sei derzeit nicht voll funktionsfähig, das werde sich voraussichtlich auch über den Geltungsbeginn der MDR nicht ändern. Somit könnten Hersteller nicht allen Meldeverpflichtungen nachkommen. Die EU-Kommission gebe aber schon einzelne Module zur freiwilligen Anwendung frei. Eine unterschiedliche Handhabung in den EU-Staaten könne zu Einschränkungen im Warenverkehr mit Medizinprodukten aus deutscher Produktion führen. Der Verband forderte eine rechtssichere Lösung. Die bislang geltenden europäischen Medizinprodukte-Richtlinien verlangen, dass die EU-Mitgliedstaaten meldepflichtige Vorkommnisse mit Medizinprodukten zentral erfassen und bewerten. Die jeweils zuständige Bundesoberbehörde teilt das Ergebnis der Bewertung der zuständigen Landesbehörde mit, die über die erforderlichen Maßnahmen entscheidet. Die Befugnis, Maßnahmen zur Risikoabwehr auf Basis der Bewertung der Bundesoberbehörden anzuordnen, fällt somit bislang ausschließlich in die Zuständigkeit der Länder. Diese müssen der Empfehlung der Bundesoberbehörden nicht folgen, sondern entscheiden in eigener Verantwortung, ob und welche Maßnahmen sie zur Risikoabwehr ergreifen. Zukünftig sollen Vorkommnismeldungen des Herstellers über die von der Europäischen Kommission eingerichtete und verwaltete Europäische Datenbank für Medizinprodukte (Eudamed) zentral erfasst werden. Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten werden von der Datenbank automatisch über eingegangene Meldungen benachrichtigt. Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass die bei ihnen aufgetretenen Vorkommnisse und die dortigen Sicherheitsmaßnahmen im Feld zentral bewertet werden.
FDP-Fraktion forderte in ihrem Antrag Anpassungen der Corona-Teststrategie mit mehr Antigen-Schnelltests und Sequenzierungen, die Grünen in ihrem Antrag eine massive Ausweitung der Kapazitäten für Corona-Schnelltests (nach Internet-Angebot des Deutschen Bundestages, https://www.bundestag).